Bei meiner Bachelorarbeit spielte Materialität eine ganz große Rolle. Ich stellte mir selbst die Aufgabe eine neue Edel-Kaffeemarke, die sich auf sortenreinen direkt bezogenen Raritätenkaffee spezialisiert hat, zu entwickeln. Beispielsweise Raritätenkaffee von der kleinen Atlantik-Insel Saint Helena. Jährlich werden nur etwa 600kg Kaffee exportiert. Dieser und drei weitere Kaffees bilden zusammen eine Serie, die unter der Marke »Rauwolf« in Feinkostläden vertrieben wird.
Der Markenname «Rauwolf» stammt übrigens vom Augsburger Biologen und Entdecker Dr. Leonhard Rauwolf, der im 16.Jahrhundert erstmals die Kaffeepflanze nach Deutschland brachte.
Zurück zur Materialität. In dem Segment der Raritätenkaffees liegen 250gr Kaffee zwischen 35 und 70 Euro. Bisher kann man solch einen Kaffee nur in Röstereien beziehen. Für diesen Preis bekommt man die Bohnen in einem einfachen Papiertütchen oder Plastikbeutel, die die Wertigkeit des Kaffees alles andere als unterstreicht. Genau hier greift mein Konzept ein. Beim Recherchieren von Produktions- und Verpackungstechniken von Lebensmitteln kam ich auf ein kleines schweizer Unternehmen, das eine Art High-Tech-Glas herstellt. Das Glas an sich hat die gleiche Funktion wie ein Infrarotfilter in der Fotografie. Es lässt nur Infrarot- und Ultraviolette Strahlung durch den Glaskörper, was Lebensmittel perfekt haltbar macht.
Die Etiketten werden aus dem Gmund-Feinstpapier »BEE!« mit Hilfe von Lasercutting und Lasergravur produziert. Diese Technik ermöglicht es auch den einzelnen Kaffeedosen eine fortlaufende Seriennummer zu geben. Aus gestalterischer Sicht baut sich die gesamte Identität auf einem speziellen Kaffeedegustations-Diagramm auf, welches einen achteckigen Aufbau hat. Achteckig ist Programm. Selbst die Struktur des Papieres »BEE!« baut sich in solchen Wabenformen auf. Aus der Schriftart Bodoni Ultra habe ich eine serifenlose Corporate Font kreiert – die Rauwolf Bodoni Sans.
Das gesamte Konzept vom skurrilen Markennamen über unübliche Glasdosen als Verpackung bis hin zu einzigartigen achteckigen Kommunikationsmitteln soll »aus der Reihe tanzen«. Auch im Kaffeeregal wird die Verpackung gleiches erzielen. Die 90°-Drehung von Etikett und Markenname ist ganz bewusst so gestaltet. Der mögliche Käufer muss die Dose in die Hand nehmen um die Informationen über den Kaffee zu lesen. Nun spürt er das Gewicht, das durch die Glasdose doppelt so hoch ist wie bei üblichen Kaffeedosen- und Kaffeetütenverpackungen. Hinzu kommt Haptik und visuelle Erscheinung des matten erhabenen Tampondrucks, die spürbare Struktur des Etikettenpapiers mit der ausgebrannten vertieften Typografie. Diese Arbeit ist begleitet von der Thesis, die von der Kaffeekirsche an der Pflanze bis hin zum Kaffee im Regal alle Schritte erläutert. Zusammen mit Marketing-Konzept und Styleguide des Corporate Designs wurde sie in einem 160-Seiter abgedruckt.